Sie möchten Ihr Projekt starten, doch Ihre Stakeholder sind sich nicht sicher, ob dieses hält, was es verspricht. Vielleicht fehlen ihnen die nötigen Informationen – möglicherweise, weil Sie keine Projektcharta erstellt haben.
Sinn und Zweck einer Projektcharta ist eine Art „Vertrag“ zwischen Stakeholdern und Projektteam zu schließen. Darin werden die Kernfragen zum Projekt (was, wer, warum und wie) festgehalten. So werden entsprechend die gemeinsamen Ziele kommuniziert, wodurch alle auf demselben Stand sind.
Eine Charta ist insbesondere dann von Nutzen, wenn das ursprüngliche Projektziel aufgrund von Risiken ins Wanken gerät. Auf dieses Dokument können dann alle Beteiligten zurückgreifen, um das Projekt wieder auf Kurs zu bringen. Dabei gilt: umso größer das Projekt, desto mehr Bedeutung hat eine solche Charta.
Im Gegensatz zur Projektcharta wird ein Business Case vor dem Projektentschluss erstellt. Er soll das Management vom Projekt überzeugen. Ist dies geschehen und das Projekt mit ihrer Unternehmensstrategie im Einklang, kann mit dem Verfassen der Charta begonnen werden.
Grundlegendes zur Projektcharta
Ihre Projektcharta sollte Folgendes umfassen:
- Zweck und Ziele: In Ihrem Business Case wurde bereits erläutert, warum dieses Projekt wichtig ist und zur allgemeinen Geschäftsstrategie beiträgt. Doch in der Projektcharta müssen sämtliche Projektziele festgehalten werden. Ein Beispiel hierfür ist etwa, dass durch die Liefergegenstände des Projekts die Produktivität um X % gesteigert werden kann. Nutzen Sie ggf. auch die SMART-Methode, um nicht nur das zu messen, was Sie erreichen möchten, sondern auch den Weg dorthin. Natürlich können nicht alle Ziele anhand von Zahlen gemessen werden. Wenn Sie in Ihrem Unternehmen also etwa OKRs (Objectives and Key Results) verwenden, müssen Sie Ihre Projektaktivitäten mit diesen verknüpfen. Die OKRs für das Projekt selbst müssen natürlich besonders hervorgehoben werden.
- Umfang und zentrale Liefergegenstände: In diesem Abschnitt werden die Projektgrenzen gesetzt. Es wird definiert, was wie umgesetzt wird. Doch damit ist es nicht getan – es empfiehlt sich an dieser Stelle sehr, auch das niederzuschreiben, was im Rahmen des Projekts nicht gemacht wird. Des Weiteren sollten hier auch sämtliche Voraussetzungen für den Projekterfolg festgehalten werden. So könnte zunächst etwa eine Modernisierung Ihrer IT-Infrastruktur notwendig sein, bevor mit dem Projekt begonnen werden kann.
- Budget und Ressourcen: Da es gilt, Geldgeber zu überzeugen, müssen Sie möglichst tief ins Detail gehen. Legen Sie genau dar, wohin das Geld fließt, welche Ressourcen benötigt werden, ob diese Schulungen benötigen, und wie viel Zeit Sie planen. Vergessen Sie dabei auch nicht den Aufwand, den die Investoren selbst aufbringen müssen.
- Risikobewertung: Bei der Risikobewertung müssen Sie jedes potenzielle Risiko identifizieren und dessen Schadensausmaß evaluieren. Soll etwa für ein Projektteam ein neues PPM-Tool implementiert werden, so spielen Schulungen und Change-Management eine entscheidende Rolle. Dies kann sich auf die Produktivität und damit auf den Projektzeitplan auswirken. Im Rahmen der Risikobewertung können auch Vorgänge, Liefergegenstände und Meilensteine festgelegt werden, die für ein erfolgreiches Projekt benötigt werden. Beachten Sie dabei nicht nur projektspezifische Risiken, sondern auch Abhängigkeiten mit anderen Projekten und Prozessen.
- Zeitplan: Sobald der Projektumfang definiert ist, können Sie ihn in Meilensteine unterteilen. Meilensteine können hier entscheidende Präsentationen oder Releases sein. Es ist zwar nicht zwingend notwendig, aber dennoch bietet es sich an dieser Stelle an, so detailliert wie möglich zu planen.
- Projektsteuerung: Die Verantwortlichkeiten innerhalb des Projekts müssen klar definiert sein. Auf allen Ebenen müssen die Rollen verteilt sein. Achten Sie dabei darauf, dass Sie sowohl interne als auch externe Ressourcen in Ihre Planung mit einbeziehen. Auch zu welchem Prozentsatz die einzelnen Ressourcen am Projekt arbeiten werden, ist ein entscheidender Aspekt.
Bessere Chancen bei der Genehmigung der Projektcharta
Es reicht nicht aus, den Stakeholdern nur den Projektumfang mitzuteilen. Betrachten Sie Ihre Projektcharta als eine vertiefte Fortsetzung Ihres Business Case, in dem nicht nur erklärt wird, was Sie tun werden, sondern auch wie Sie dies tun werden. Sie können damit den Bezug zwischen Ihrem Projekt und den Unternehmensstrategien dokumentieren. Die Charta ist das beste Marketinginstrument für Ihr Projekt.
Doch eine Projektcharta ist weit mehr als ein Mittel zum Erreichen von Projektgenehmigungen – sie ist, wie bereits erwähnt, ein Vertrag, der herangezogen werden kann, wenn das Projekt von seinem ursprünglichen Ziel abzuweichen droht. Erfahrene und unerfahrene Projektbeteiligte können gleichsam darauf zurückgreifen. Auf diese Weise bleiben Ziel und Bedeutung des Projekts präsent, was letzten Endes die Projektakzeptanz aufrecht erhält.
Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Projektcharta in Stein gemeißelt ist. Flexibilität ist und bleibt dabei der Schlüssel zum Erfolg im Projektmanagement. Bei Änderungen sind Kontrolle und Transparenz entscheidend. Es muss klar festgelegt werden, was geändert wird, warum diese Änderung nötig ist und wie sie sich auf das Projekt auswirkt. Bei diesen sogenannten Change Requests ist der managementseitige Buy-in genauso von Bedeutung wie bei der ursprünglichen Charta.
Um möglichst viel aus der Projektcharta herauszuholen, müssen Sie folgende Punkte beachten:
- Recherchieren Sie gründlich. Sie müssen den Projektumfang möglichst genau abschätzen. Setzen Sie sich dazu mit Ihren Projektverantwortlichen zusammen und stellen Sie den Ressourcenbedarf, Dauer und Risiken heraus.
- Priorisieren Sie die Wünsche der Stakeholder. Sei es Produktivität, Qualität oder Kosten – Sie müssen unbedingt die Prioritäten Ihrer Stakeholder kennen. Dann können Sie die Charta dahingehend anpassen. Dies ist besonders dann wichtig, wenn dadurch mehrere Geschäftsbereiche betroffen sind. Denn jeder Bereich hat in der Regel andere Prioritäten, was bedeutet, dass Sie für jeden die Kernthemen herausarbeiten müssen.
- Ziehen Sie Vorgängerprojekte heran. Da viele Projekte scheitern, ist es wichtig, dass Sie Ihre Projektanforderungen und den Zeitplan genau kennen. Greifen Sie auf historische Daten aus ähnlichen Projekten zurück. Diese sind der beste Hinweis darauf, was Sie in Zukunft brauchen werden. Wenn Sie etwa für ein früheres Projekt ein Budget von X bereitgestellt haben, kann es für das kommende Projekt sinnvoll sein, X plus 10 % zu verlangen. Ein solcher Puffer zeigt Ihren Stakeholdern, dass Sie sich realistische Ausgabenziele setzen, und gibt ihnen die Gewissheit, dass Sie das Budget mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überschreiten werden. Beschönigen Sie keine Zahlen, bleiben Sie stets realistisch. Legen Sie sich dabei nicht auf eine genaue Anzahl an Liefergegenständen fest. Dasselbe gilt für die Dauer, die Sie für die Durchführung Ihres Projekts wahrscheinlich benötigen. Wenn Sie diese Erwartungen nicht erfüllen, ist das frustrierend und oft kontraproduktiv. Lassen Sie Flexibilität zu, denn im Grunde ist eine Projektcharta mit einer Wette zu vergleichen. Änderungen sind immer möglich, vorausgesetzt, dies geschieht auf kontrollierte Art und Weise.
- Stellen Sie die Projektcharta allen Beteiligten zur Verfügung. Die Projektcharta muss Ihnen und allen Beteiligten stets zur Verfügung stehen, dazu bietet es sich an, diese in Ihre PPM-Lösung hochzuladen. Lassen Sie sie dann durch alle Stakeholder validieren, so lassen sich Entscheidungen stets nachvollziehen. Zudem können Sie so Ihre nächsten Projektchartas optimal darauf aufbauen.
Eine Projektcharta lässt sich nicht an einem Tag zusammenstellen. Dies kann einige Wochen dauern, da Sie stets auf Rückmeldungen angewiesen sind. Bei Großprojekten kann es durchaus sein, dass für einzelne Phasen individuelle Chartas benötigt werden.
Ein Beispiel aus der Praxis
Die Mitsui Sumitomo Insurance Group (MSIG USA) hat eine Vorlage für eine Projektcharta, das so genannte „Opportunity Document“. Ein Strategic Planning Office Manager und ein Chief Planning Officer erstellen die Charta. Sie schlagen dann einen Sponsor und einen Projektmanager vor, während ein Ausschuss aus fünf leitenden Angestellten die Charta prüft, sie genehmigt, ablehnt oder um Änderungen bittet. Nach der Genehmigung wird das Dokument als „Iron-clad charta“ bezeichnet. Das bedeutet, dass an dem Projekt gearbeitet werden kann, da es vom Management abgesegnet wurde.
Da die Vorlage für die Projektcharta mit nur 2 bis 3 Seiten einfach gehalten wird, ist auch das Genehmigungsverfahren für Projekte recht unkompliziert. So kam es bereits vor, dass innerhalb von 7 Tagen aus einer Idee ein genehmigtes Projekt wurde. Außerdem hat das Genehmigungsverfahren des Unternehmens noch nie ein Projekt verzögert.
Aber auch hier gilt: Die Charta ist nicht in Stein gemeißelt. Sie können sie im Laufe des Projekts ändern, wenn Teams oder andere Beteiligte bessere, schnellere und ausgereiftere Verfahren entwickeln. Wichtig ist, dass Sie für die Umsetzung von Änderungen eindeutige Prozesse festlegen, z. B. dass die Teammitglieder Formulare für Änderungsanträge ausfüllen. Egal, wie Sie diese Prozesse auch gestalten, am Ende ist entscheidend, dass Sie sämtliche Änderungen jederzeit nachvollziehen können.
Eine gute Projektplanung ohne Einblicke in den Projektfortschritt ist jedoch nach wie vor ein Schuss ins Blaue. Vielleicht einer mit einer ruhigeren Hand, aber das ist kein Risiko, das ein erfahrenes PMO eingehen würde. Nutzen Sie stattdessen datengesteuerte Technologien für Ihr Projektmanagement, damit Sie Ihre Projektcharta – und das daraus resultierende Projekt – mit fundierten Daten untermauern können.