Der Aufbau eines PMOs erfordert ein umfassendes Verständnis von Projekt- und Portfoliomanagementprozessen auf der einen und dem Unternehmen und dessen Kultur auf der anderen Seite. Im Dienstleistungsbereich ist es zudem von zentraler Bedeutung, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie Projektmanagement in Vertriebs- und Serviceprozesse integriert werden kann.
Ebenso wie ein Bild mehr sagt als tausend Worte, so ist ein Erfahrungsbericht wertvoller als eine Anleitung. Aus diesem Grund möchten wir den Erfahrungsbericht der GISA GmbH, einem IT-Dienstleister für den Energiesektor und den öffentlichen Dienst, zum Aufbau eines PMOs mit Ihnen teilen.
Die Entwicklungsgeschichte des GISA-PMOs
Schritt 1 – Das Wichtigste zuerst: der Aufbau des PMOs
Das PMO bei GISA hat sich 2009 aus einem unternehmensübergreifendem Programm zur Implementierung von Projektmanagementstandards auf Multiprojekt- und Einzelprojektebene heraus entwickelt. Im Rahmen des Programms wurden zunächst wichtige Schlüsselbereiche identifiziert:
- Integration des Projektmanagements in Vertriebs- und Serviceprozesse
- Anforderungsmanagement
- Ressourcenmanagement
- Wirtschaftlichkeits- und Nutzenanalysen der Projekte
- Portfoliosteuerung
Im Zusammenhang mit Einzelprojekten erfolgte die Etablierung eines einheitlichen Projektstandards sowie die Definition und Bereitstellung von Methoden und Hilfsmitteln. Der Change-Prozess innerhalb der GISA wurde über ein eigenes Kommunikationsprojekt begleitet. Zudem erfolgte die Integration in die Prozesslandschaft der GISA. Abschließend flossen alle Konzeptionen in die Auswahl und Einführung einer Multiprojekt-Systemumgebung ein (basierend auf Planisware Enterprise), die 2011 produktiv gesetzt wurde und bis heute jährlich die Abbildung von ca. 1.300 Einzelprojekten sowie der zugehörigen Projektportfolios ermöglicht.
Ein wesentlicher Akzeptanz- und Erfolgsfaktor ist die tiefe Integration der PPM-Lösung in das kaufmännisch führende SAP-System. Hier werden neben Kontierungsstrukturen täglich alle projektrelevanten Aufwands-, Kosten- und Erlöswerte ausgetauscht.
Schritt 2 – Definition der Hauptaufgaben des PMOs
Nach dem Start des Programms wurde 2011 ein nächster Meilenstein genommen: Das PMO der GISA hat seine Arbeit aufgenommen, um in den folgenden drei Jahren sein internes Angebot an die Projektorganisationen der GISA zu etablieren. Die Hauptaufgaben sind bis heute folgende:
- Weiterentwicklung der Methoden, Prozesse und Standards im Projektmanagement
- Unterstützung des Ressourcenmanagements für interne und externe Ressourcen
- Bereitstellung von Projekt- und Portfolioberichten
- Bereitstellung von Projektservices (Coaching, Moderation von Kick-offs und Lessons Learned)
- Unterstützung der Projektmanagement-Kompetenzentwicklung
- Weiterentwicklung der Prozesse und Inhalte der PPM-Software Planisware Enterprise
- Führung der internen Projektmanagement-Community.
Schritt 3 – Integration von Agile-Frameworks
Als nächster Schritt folgte 2018 die Integration von agilen Frameworks in das PMO. Die steigende Anzahl agil geführter Projekte unterstrich die Notwendigkeit, neben klassischen Projektvorgehen auch agile und hybride Ansätze zu definieren und zu unterstützen.
Hierzu wurden die Rollen Agile Coach und Scrum Master im PMO geschaffen und damit der Weg zu einem agil arbeitenden IT-Dienstleister geebnet.
Schritt 4 – Implementierung der Methoden auf operativer Ebene
Die Entwicklung des PMOs fand ihren bisherigen Höhepunkt 2020 durch die Zusammenlegung der PM-Methoden mit operativ arbeitenden Projektmanagern.
Seitdem ist das PMO in folgende vier selbstorganisierende Teams aufgeteilt:
1. Projektmanagement-Methoden (ursprüngliche PMO-Aufgaben)
2. Zentrale Projektplanung GISA für die Abbildung von Kleinprojekten in den Prozessen und der Bereitstellung von Projektportfolioberichten
3. Operative Vollzeitprojektmanager der GISA, die ausschließlich mittlere und große Projekte der GISA leiten
4. Agile Office zur Unterstützung der agilen Arbeitsweisen
Best Practices für die Einführung eines PMOs
Beim PM Forum in Leipzig 2022 diente die Entwicklungsgeschichte des PMOs bei GISA als Ausgangspunkt für eine Diskussion mit den Workshop-Teilnehmern bezüglich der Best Practices für die Einführung eines PMOs. Dabei wurden die folgenden vier Punkte als die wichtigsten Erfolgsfaktoren identifiziert:
- Die Unterstützung durch die Managementebene ist essenziell, um ein PMO zu etablieren: Sie gewährt Freiräume und stellt die die dafür nötige Akzeptanz her.
- Jedes Unternehmen sollte sich die folgende Frage stellen: „Für welchen Zweck benötige ich ein PMO?“ Daran lässt sich knüpfen, welche Roadmap aufgestellt werden soll und was Quick-Wins sein können.
- Ob man als Unternehmen hierzu auf externe Unterstützung setzt, liegt in den Präferenzen der jeweiligen Unternehmen. Ein Blick von außen kann meist aber hilfreich sein.
- Die Einführung des PMOs sollte schrittweise erfolgen, damit die Organisationen vom begleitenden Change-Prozess nicht gebremst werden.
Hauptaufgaben eines PMOs
- Bereitstellung von Methoden und Hilfsmitteln sowie notwendiger Tools: Dies immer mit dem Hinblick auf Standardisierung und Arbeitserleichterung für die Projektorganisationen.
- Steuerung und Förderung der Entwicklung der PM-Kompetenz: Hierbei sind Schulungen, Zertifizierungen und die Bildung von Netzwerken ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt.
- Einbeziehung weiterer Adressaten, wie der Managementebene, die Leistungen eines PMOs beziehen können: Hierbei sind Transparenz im Projektportfolio, Vergleichbarkeit und Entscheidungsunterstützungen für Projekte sowie Statusinformationen wesentlich.
- Schaffung eines weiteren Mehrwerts für Projekte in der Rolle als Qualitätssicherung und neutrale Projektbegleitung
Die Rolle der Agilität in einem PMO
Mit Blick auf die Aufgaben eines PMOs stellt Agilität eine Besonderheit dar. Zum einen hängt sie stark von den Erfordernissen des Unternehmens ab, zum anderen ist sie stark mit der Kultur verwoben, die auch projektübergreifend herrscht.
Agile Methoden können ein Bestandteil des PMO-Methodenkoffers sein und sollten mit Augenmaß für die geeigneten Projekte angewendet werden. In der Wahl des Projektvorgehens liegt hier das größte Unterstützungspotenzial eines PMOs. Wird ein agiles oder hybrides Projektvorgehen gewählt, muss ein PMO aber in der Lage sein, dies zu unterstützen, im Idealfall mit der Rolle Scrum Master auch personell zu besetzen.
Die Top-10 der von einem PMO bereitgestellten Hilfsmittel
Was sind nun die Top-10-Hilfsmittel, die ein PMO bereitstellen kann? Um diese Frage zu beantworten, braucht es einen Blick auf die möglichen Adressaten: Neben Projektmanager nehmen auch Business Owner und Entscheidungsträger PMO-Leistungen in Anspruch.
Dabei hat jeder Adressat eigene Anforderungen und Erwartungen: Während Projektmanager eher den Austausch mit Gleichgesinnten suchen und vorrangig Ausbildung, Coaching und Sparring nutzen, sind Business Owner an Standardisierung und damit Kostenoptimierung interessiert. Hierzu benötigen sie umfangreiche und aussagekräftige Berichte sowie definierte Prozesse und Rollen.
Folgende 10 Hilfsmittel sind jedoch für alle Adressaten relevant:
1. PM-Standards in einem Projektmanagement-Handbuch
2. Tools und Vorlagen (Einzelprojektmanagement)
3. Coaching und Mentoring
4. Projektmanagement-Ausbildung
5. Projektprozesse und Rollenbeschreibungen
6. Projektcontrolling-Ansichten
7. Projektportfolio-Berichte
8. Austauschplattform für Projektmanager
9. Best-Practices- und Wissensmanagement-Unterstützung
10. Transparenz in der Planung der Ressourcen