Seit Juli 2021 ist die Planisware Deutschland GmbH Sponsor des Münchener Siemens-Orchesters, das als Symphonieorchester bei seinen alljährlichen Konzerten mit ungefähr 60 Musikern und Musikerinnen den Großen Saal der Musikhochschule München und des Herkulessaals der Residenz klanglich ausfüllt.
In diesem Zusammenhang ist die Idee entstanden, nach Parallelen in den Bereichen Projektmanagement und Musik zu suchen. Denn während Planisware als Unternehmen das Projektmanagement vorantreibt und sich als Hersteller von PPM-Softwarelösungen hier weitreichende Expertise angeeignet hat, ist für das Siemensorchester die Musik das zentrale Thema, dem sich all seine Mitglieder verschrieben haben.
Denkt man genauer über dieses Thema nach, wird relativ schnell ersichtlich, dass beide Themen eindeutige Parallelen aufweisen: Was ist ein Orchester anderes, als eine komplexe Projektorganisation, die sich mit den Streichern, Holz- und Blechbläsern und den für Konzerte zugekauften externen Solisten aus unterschiedlichen Abteilungen und Kompetenzen zusammensetzt und in einem klar vorgegebenen, zeitlichen Rahmen in iterativen Proben-Schleifen auf das Konzert als dem krönenden Abschluss seiner musikalischen Probenarbeit hinwirkt? Am Endtermin ist nicht zu rütteln. Die Konzerttermine im Herkulessaal werden bereits mit einem Vorlauf von ca. 2 Jahren festgelegt und kommuniziert. Was in einem Projekt in der Automobilindustrie der unausweichliche und nicht veränderbare Start of Production (SOP) für ein neues Fahrzeugteil eines Zulieferers für einen OEM ist, entspricht beim Siemensorchester dem angekündigten Konzerttermin, der bereits lange Zeit vorher auf allen Programmheften, Plakaten und in den Verkaufsstellen veröffentlicht wird.
Auch der Aufbau einer Probenphase, die den Weg des Orchesters bis hin zum Zeitpunkt des nächsten Konzerts beschreibt, ähnelt den agilen Konzepten, die wir aus dem Projektmanagement kennen. Da wäre zunächst das Thema der Iterationen der Projektteams, die ihren Aufgaben in regelmäßigen Sprints nachkommen und immer wieder überprüfen, ob sie die mühsam erarbeiteten „Increments“ den Ohren ihrer Zuhörer bereits zumuten könnten.
In der agilen Welt dauern Sprints in der Regel 2 Wochen. Axel Schröder von der AS&P Unternehmensberatung erklärt in seinen Einführungsseminaren zum Thema agil, dass ein Sprint eigentlich alleine schon deshalb nicht länger als zwei Wochen dauern sollte, weil der Mensch nicht in der Lage ist, noch längere Zeiträume für sich realistisch zu planen. Das Siemensorchester trifft sich für seine Sprints bzw. Proben sogar jede Woche. Dies ist auch gut so, denn gerade in der Musik kann ja erfahrungsgemäß das „Minimum Viable Product“ der beiden Geigenstimmen, der Bratschengruppe, der Celli oder der Blechbläser im Zusammenspiel mit anderen Abteilungen im Orchester relativ schnell zur akustischen Herausforderung werden. Da ist eine zeitlich noch engere Taktung als im agilen Projektumfeld durchaus sinnvoll. Jeder Musiker in jeder Stimmgruppe muss für sich während des wöchentlichen Reviews erkennen, wie viel Energie er individuell bis zur nächsten Orchesterprobe noch in ein musikalisches Arbeitspaket stecken muss, um eine schwierige Notenpassage möglichst rasch als „done“ abhaken zu können.
Wenn nicht gerade Ferien sind, trifft sich das Siemensorchester jede Woche mittwochs, um sich immer wieder aufs Neue dem Experiment zu unterziehen, sich nach dem individuellen Musizieren zuhause, als großer Klangkörper zusammenzufinden. Zu Beginn jeder Probe divergieren die individuellen Vorstellungen von Dynamik und Tempo und es dauert eine gewisse Zeit, bis sich die einzelnen Klanggruppen zunächst innerhalb der Gruppe und dann im gesamten Orchesterverbund aufeinander eingehört haben und die Musik fließend und selbstverständlich von Stimmgruppe zu Stimmgruppe weitergegeben wird.
Den Stimmführern, die es in jeder Gruppe gibt, kommt dabei eine koordinative Rolle zu. Nennen wir sie hier ruhig Teilprojektleiter. Sie haben die Aufgabe, für die Homogenität innerhalb ihrer jeweiligen Stimmgruppe zu sorgen, Best Practice vorzuleben und sich über die Gruppe hinaus mit den Stimmführern der anderen Instrumentalgruppen abzustimmen. Natürlich erfolgt diese Abstimmung während des Musizierens nicht verbal, sondern unter Einsatz von Körpersprache, Mimik und Gestik. Kommt es nach einer mehrtaktigen Pause der Streicher in einem Stück wieder zu einem gemeinsamen Einsatz, lässt sich genau beobachten, wie sich die Blicke der Stimmführer für Sekundenbruchteile begegnen, um den gemeinsamen Einsatz als Punktlandung zu platzieren. Unmerklich geben sie gemeinsam diesen Impuls an die neben und hinter ihnen sitzenden Teammitglieder weiter. Wie im Projekt kommt den Stimmführern als Teilprojektleiter die Doppelrolle zu, innerhalb ihres Teams durch klare Führung für die notwendige klangliche und rhythmische Einheit zu sorgen und gleichzeitig die volle Aufmerksamkeit auf das exakte Zusammenspiel mit den anderen Instrumentalgruppen zu lenken. Der Stimmführer der ersten Geige ist zugleich der Konzertmeister und damit das Bindeglied zwischen Orchester und Dirigent. Zu Beginn jeder Probe oder im Konzert steht er auf und übergibt den einzelnen Instrumentalgruppen den Kammerton A mit 440 Hertz. Das sorgt für die richtige Grundstimmung.
So weit so gut, wäre da nicht noch die Rolle des Gesamtprojektleiters. Diese Rolle gehört im Siemensorchester dem Dirigenten Markus Elsner, der seit 14 Jahren dem Klangkörper des Symphonieorchesters seine individuelle musikalische Prägung gibt. Worte sind im Konzertsaal kein Führungs-„instrument“. Markus Elsner führt die agile Orchesterorganisation wortlos. Mit Feingefühl, Blicken, Bewegungen und unter Einsatz kontrollierter Körpersprache vermittelt er den sensiblen Antennen der Teilprojektleiter und Teammitglieder präzise und treffsicher kleinste Tempowechsel, Klangnuancen und Veränderungen in der Klangfarbe. Sein Gesamtprojektplan, der die zeitlichen Abhängigkeiten der Teilprojekte nach Instrumentalgruppen kompromisslos abbildet - man nennt dies auch die Partitur - liegt vor ihm auf dem Dirigentenpult.
Ist schon die Rolle des Projektleiters in einem großen Team in einem komplexen Projekt, das auf eine terminliche Punktlandung hinarbeitet, alles andere als trivial, so ist dieser Projektleiter am Dirigentenpult eine Ausnahmegestalt. Nur handelt es sich beim Dirigenten tatsächlich, wie zunächst angedeutet, um einen Gesamtprojektleiter? Wird nicht eher die Beschreibung der Rolle eines Product Owners im agilen Verständnis dem Dirigenten gerecht?
Was sagt der Experten-Blog des Planisware-Partners The Project Group über die Besonderheiten und Aufgaben eines Product Owners im Kontext einer agilen Projektorganisation?
Zunächst ist der Product Owner ein sogenannter „On-Site Customer“ oder auch „Customer Proxy“ genannt. Er ist Teil des Entwicklungsteams, aber vertritt die Rolle des Kunden. Der Dirigent ist gegenüber dem Publikum im abgedunkelten Konzertsaal, wenn die Musik entsteht, für die Leistung seines Orchesters verantwortlich. Die Konzertbesucher haben Konzertkarten gekauft und erwarten als Gegenleistung tadellosen Musikgenuss.
Schon bei der Auswahl der Stücke, die das Konzertprogramm bilden, ist der Dirigent neben dem Orchestervorstand in den Entscheidungsprozess eingebunden. Er muss auf die Fähigkeiten, Kapazitäten und Beschränkungen seines Orchesters Rücksicht nehmen. Immerhin ist das Siemensorchester München ein Ensemble, dessen Mitglieder keine Profis sind, sondern im wirklichen Leben unterschiedlichen Berufen nachgehen und zugegebenermaßen nicht ständig und konsequent zum Üben kommen. Natürlich hat dies unmittelbaren Einfluss auf die Leistbarkeit der symphonischen Projektorganisation, auch wenn sich das innerhalb der letzten zwanzig Jahre erarbeitete Repertoire mit mehr als 200 Stücken von über 70 Komponisten durchaus sehen lassen kann. Im bereits zitierten Experten-Blog erinnert das an die „notwendige Fähigkeit des Product Owners, die Anforderungen der Kunden und Stakeholder gegen die Kapazität und Fähigkeiten des Entwicklerteams abzuwägen. […]. [Product Owner] können zudem bereits in der Projektinitiierung, wie etwa während der Projektauswahl oder Machbarkeitsprüfungen, in Erscheinung treten“.
Der Dirigent trägt bereits in der Probenphase Sorge für die stetige Fortschrittskontrolle und tut alles dafür, dass das Orchester im Konzert die bestmögliche Leistung abliefert und den musikalischen Qualitätsstandards entspricht. Er hat schon zu Beginn einer neuen Probenphase klare Vorstellungen davon, was er mit seinem Orchester am Tag des Konzerts erreichen möchte und kommuniziert diese Vorstellung so früh wie möglich an das Orchester. Aus diesem Grund werden in den Proben auch dann, wenn die Musiker z. B. noch gar nicht auf schnelle Tempi vorbereitet sind, bestimmte Passagen auch immer wieder im späteren Originaltempo gespielt. Schließlich soll jedes Orchestermitglied exakt einordnen können, welche Passagen individuell auf Tempo und Intonation zu üben sind. Auch hier liefert der Experten-Blog treffsicher eine Parallele: „Der Product Owner soll sicherstellen, dass das Produkt [Musik] möglichst bald gewissen Zielvorstellungen entspricht, die […] dem Entwicklungsteam bekannt sind, bestenfalls eines, womit sich alle identifizieren können“.
Bei noch näherem Hinsehen gäbe es sicher noch eine Vielzahl weiterer Parallelen zwischen einer Orchester- und einer Projektorganisation hinsichtlich der Rollen und Wirkungszusammenhänge. Das Ziel des Essays war es jedoch, wie zu Beginn angedeutet, nur eine Art findiges Brainstorming durchzuführen, in dessen Rahmen ein paar Aspekte herausgestellt werden sollten, die die Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit dieser beiden vermeintlich völlig unterschiedlichen Welten thematisieren.