In Terry Doerschers Webinar finden Sie weitere Informationen zum Thema.
In diesem einstündigen Webinar teilt Doerscher sein Wissen zum Umgang mit Investitionsrisiken bei Großprojekten.
Einführung
Projektrisiken sind allgegenwärtig. Egal, ob es um den Bau von Tunneln oder Türmen, die Entwicklung von Software-Lösungen für die Pharma- oder Luftfahrtbranche oder um komplexe Engineering-Projekte geht. Als Großinvestor eines Projekts, bei dem etwa externe Architektur-, Ingenieurs- oder Designunternehmen involviert sind, oder als Geschäftsleiter, der ein umfassendes IT-Projekt in seiner Firma umsetzen möchte, tragen Sie das Projektrisiko.
Im Laufe der letzten 35 Jahre konnte ich mir aus verschiedenen Blickwinkeln ein Bild des Risikomanagements bei Engineering-Projekten machen. So betreute ich als Projektreferent etwa Engineering-Projekte im Zusammenhang mit Atomenergie. Nachfolgend führe ich einige Erfahrungen aus, die ich aus diesen Projekten mitgenommen habe:
- Für die Bestimmung des Projektrisikos bei Großprojekten spielen die Strategie und das konzeptionelle Framework sowie die Zielsetzung, der Arbeitsumfang, die Terminplanung und die wirtschaftlichen Begebenheiten, die durch die Gesamtverantwortlichen (Project Owner) festgelegt werden, eine weit größere Rolle als die Leistung des Projektteams, der Ingenieure oder der involvierten Vertriebs- und Handwerksbetriebe.
- Diese Project Owner sind deshalb auch maßgeblich für den Erfolg oder Misserfolg des ganzen Projekts verantwortlich.
- Die meisten Projektträger sind sich oftmals gar nicht der Tatsache bewusst, dass notwendige Investitionen und Ressourcen zum Umgang bzw. zur Beseitigung von Projektrisiken zu ihrer Verantwortung gehören.
Ein strategischer Ansatz bzgl. Investitionsrisiken
Die Rollenverteilung zwischen Projektträger und ausführendem Dienstleister bei der Identifizierung und Minimierung von Projektrisiken.
Engineering-Unternehmen, die auf die Projektumsetzung spezialisiert sind, wissen, dass Risikomanagementprozesse ein Muss sind. Oftmals entstehen mehr Risiken dadurch, dass nicht sie selbst, sondern ihre externen Partnerunternehmen für diverse Liefergegenstände verantwortlich sind. Neben solchen vertraglichen, budgetären und terminlichen Unsicherheiten, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben, müssen im Sinne einer vollständigen Risikobewertung aber auch strategische und marktwirtschaftliche Aspekte einfließen. Die Lieferbeziehungen mit Vertragspartnern erscheinen dabei fast nebensächlich.
ABBILDUNG 1. Bei der Risikobewertung stellt der Projektträger einen fundamentalen Baustein dar.
Wenn der Projektträger keinen aktiven Teil des Risikomanagements darstellt, wird das Risikoprofil nicht alle der folgenden Aspekte vollumfänglich widerspiegeln:
- Komplexität
- Externe Einflüsse
- Finanzen
- Operative Aspekte
- Organisatorische Hürden
- Technologie
- Ressourcen
- Terminplanung
Solange das Projekt in seinen Bahnen bleibt, ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit leicht, doch sobald es zu Problemen kommt, kann es schnell passieren, dass die ganze Schuld auf das Partnerunternehmen, das für die Projektumsetzung verantwortlich ist, abgewälzt wird. Doch häufig liegt ein Teil der Schuld auch beim Projektträger. Viele Risikofaktoren fallen nämlich nicht in den Verantwortungsbereich des Partnerunternehmens wie etwa das Grundkonzept, Markt-, Wirtschaftlichkeits- und Auslastungsanalysen sowie Projektplanung und andere Aspekte. Letztendlich liegt die Verantwortung für den Projekterfolg immer in den Händen des Projektträgers.
In den Projekten gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Der Projektträger muss sich seiner Gesamtverantwortung klar bewusst sein.
Gerade bei Projekten mit externen Dienstleistern müssen Projektträger effizientes und aktives Risikomanagement betreiben. Folgende Aspekte sind dabei entscheidend:
- Klare Erwartungshaltung
- Transparenz
- Projektaudit
Ein klares, gegenseitiges Verständnis von dem, was erreicht werden soll, ist essenziell bei der Risikobewertung. Häufig kommt es vor, dass Projekte als Fehlschlag abgestempelt werden, weil im Vorfeld schlicht nicht umfänglich definiert wurde, was als Erfolg gewertet wird. Dabei müssen der Arbeitsaufwand abgesteckt sowie die notwendige Infrastruktur gegeben sein. Obwohl es im Grunde dem Projektträger obliegt, diese Elemente zu definieren, sollte das Partnerunternehmen aktiv werden, unklare Punkte anmerken, Fragen stellen, Möglichkeiten und Alternativen aufzeigen und dabei helfen, Qualitätsstandards zu verbessern.
Bei der Konzeption des Projekts können bestimmte Methoden aus dem Benefit-Management dazu beitragen, Prozesse für eine bessere Risikokontrolle einzurichten.
Ein effizientes Projekt-Monitoring kann durch umfängliche Transparenz gewährleistet werden. Die Projektträger brauchen daher jederzeit Zugriff auf sämtliche Projektdaten. In diesem Zusammenhang bietet sich eine webbasierte Projektmanagement-Software wie Planisware an. Als Single Source of Truth bietet sie allen Beteiligten eine zentrale und vor allem verlässliche Echtzeit-Datenquelle.
Sich bei Großprojekten auf Berichte, Status-Meetings und Videokonferenzen zu verlassen, reicht schlicht nicht aus. Projektträger sollten daher für einen objektiven Blick auf das Projekt unabhängige Fachleute einsetzen. Dies ist ein wichtiges Element des Investitionsschutzes.
Für Projektträger sind solche unabhängigen Projekt-Audits von großer Bedeutung. Zudem profitieren davon auch die Projektmanager, da sie so regelmäßiges Feedback zu ihrer Arbeit erhalten. Ich weiß aus meiner Erfahrung als Projektreferent, dass es letztlich günstiger ist, Geld in eine oder mehrere dieser Fachkräfte zu investieren, als Projektkosten ausufern zu lassen.
Früh scheitern/Früh gewinnen
Strukturieren Sie Ihr Projekt stets so, dass entscheidende Risiken früh erkannt und eliminiert werden können.
Vor einigen Jahren unterstützte ich ein Technologieunternehmen, das sich für ein Multi-Millionen-Dollar-Projekt mit einem Energieunternehmen zusammenschloss. Dabei sollte ein neues Geschäftssystem für über 7.000 Benutzer in 68 Ländern eingerichtet werden. Zu diesem Zeitpunkt stand das Unternehmen an der Spitze der Fortune-500-Liste. Es verfügte daher über eine starke Risikomanagementkultur und entsprechend erfahrene Risikomanager. Wir wurden zwar erst mit etwas Verzug entlohnt, aber es war wirklich beeindruckend, wie sie es geschafft hatten, mit weniger als 100.000 Dollar Vorlaufkosten systematisch den Großteil der technischen und funktionalen Risiken zu eliminieren.
Dies macht deutlich, dass es durchaus sinnvoll ist, 10-20 Prozent des Gesamtbudgets für die Prüfung zu investieren, ob das Projekt die gewünschten Resultate liefert oder nicht. Prüfen Sie, ob folgende Punkte zur Risikominimierung beitragen können:
- Neuanordnung der Aktivitäten
- Verschiebung großer Kostenbündel
- Investitionen in zusätzliche Tests
- Durchführung von POCs
- Unabhängige Untersuchungen
Pragmatische Investoren rechnen mit dem Schlimmsten und hoffen nicht auf das Beste
Als Hauptinvestor liegt die Verantwortung bei Ihnen, dass das Projekt seinen erwarteten Mehrwert liefert.
Grundsätzlich ist der Mehrwert vom Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen abhängig. Dabei muss eine objektive Risikoanalyse für beide Aspekte gewährleistet sein.
Per Definitionem wirken sich Risiken immer auf die eine andere Art monetär aus. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um ein Ereignis und nicht um ein wirkliches Risiko. Ein Risiko kann verschiedene Formen annehmen:
- Terminverschiebungen
- Gesundheits-/Sicherheitsrisiken
- Hohe Kosten (Material, Nachbearbeitung, Ausrüstung)
- Variierende Bedarfe etwa bzgl. Umfang, Qualität, Arbeitsweise
- Sekundäre Risikokosten (Gegenmaßnahmen, höhere Administrationskosten, Rufschädigungen)
Bei allen bekannten Risiken müssen zwei Aspekte einkalkuliert werden: die Auswirkung auf die Kosten sowie deren Eintrittswahrscheinlichkeit. Bei Miteinbezug dieser Punkte können die Gesamtkosten des Projekts besser abgeschätzt werden. Der wohl häufigste Grund für ausufernde Projektkosten ist die Missachtung dieser Berechnungen.
Je nach Komplexität oder Volatilität des Projekts können Kostenüberschreitungen, die alleine auf Fehleinschätzungen zurückzuführen sind, je nach Risikoklasse, 20 % bis sogar 50 % betragen. Es gibt deshalb Industriestandards, die versuchen, das Risiko von Kostenüberschreitungen zu quantifizieren. Solche Standards entwickelt u.a. die AACE (Association for the Advancement of Cost Engineering).
ABBILDUNG 2. Matrix zur Klassifizierung der Risikoschätzung basierend auf dem AACE-Klassifizierungssystem
Neben einer realistischen Einschätzung der potenziellen Kosten müssen Sie zur Mehrwertbestimmung auch die Genauigkeit der Nutzenberechnungen berücksichtigen. Insbesondere das finanzielle Ergebnis von Go-to-Market-Investitionen wird regelmäßig zu optimistisch dargestellt. Stellen Sie sicher, dass Sie die häufig überhöhten Projektionen in Bezug auf Umsatzvolumen, Marktanteil, Zeit bis zur Marktreife, Effizienzsteigerung, Lebenserwartung usw. genau hinterfragen. Beurteilen Sie die Informationen, die den Nutzenannahmen zugrunde liegen und prüfen Sie, wie beständig diese Informationen über längere Zeiträume sind.
Höhere Risikokosten in den Projekten, die auf die beschriebenen Schätzungsunsicherheiten zurückzuführen sind, in Kombination mit einer eher konservativen Nutzenannahmen für dieselben Vorhaben führen zu einem realistischeren Gesamtbild, das einem „Worst-Case-Szenario“ sehr nahekommt. Obwohl diese Zahlen ernüchternd sein können, ermöglichen sie Ihnen eine realistische Einschätzung darüber, wie vielversprechend das Projekt tatsächlich ist. Zugegeben, politische Erwägungen oder die Beziehungen zu Investoren können beeinflussen, wie diese Informationen anderen präsentiert werden, aber als Projektträger sind Sie es sich und anderen Stakeholdern schuldig, sich auf das Schlimmste vorzubereiten, anstatt einfach auf das Beste zu hoffen.
Was ist einem Investor die Kontrolle seiner Projektrisiken letztendlich wert? Wie viel Geld ist es bereit, hierfür maximal auszugeben?
Als Hauptinvestor müssen Sie stets prüfen, ob das Projekt noch einen Mehrwert bringt. Dazu müssen Sie immer wieder abwägen, ob Sie ein Projekt mit deutlich höheren Kosten, als vielleicht befürchtet, und einem bedeutend niedrigeren Gesamtnutzen, als eigentlich erhofft, fortführen möchten. Zeit, über eine Umstrukturierung oder sogar einen Abbruch des Projekts nachzudenken.
ABBILDUNG 3. Kosten/Nutzen vs. Zahlungsbereitschaft
ZUSAMMENFASSUNG
Mit jedem Jahr bin ich stärker davon überzeugt, dass die mangelnde Einbindung der Stakeholder in ihre Projekte, insbesondere auf der Ebene der Projektträger/Investoren, die größte Bedrohung für das Erreichen erfolgreicher Projektergebnisse darstellt. Für folgende Punkte sind Projektträger verantwortlich:
- Gewährleistung, dass Projekte von Anfang an tragfähige Investitionen mit einem akzeptablen Risikoniveau darstellen
- Dauerhafte Involvierung und Überwachung der Planung und Umsetzung
- Maximierung des Mehrwerts
Projektträger, die diesen Punkten keine Beachtung schenken, werden es früher oder später mit horrenden Kosten zu tun bekommen.
Das Partnerunternehmen kann nur mit dem arbeiten, was ihm gegeben wird. Für die richtigen Zutaten ist der Projektträger verantwortlich. Weder noch so gute Ansätze noch ein hochqualifiziertes Projektteam können ein Projekt retten, das von Anfang an schlecht geplant wurde.