Portfoliorationalisierung
Bei der Portfoliorationalisierung handelt es sich um einen dynamischen Prozess, anhand dessen Sie Ihr Projektportfolio kontinuierlich an die sich stetig ändernden Markt- und Wirtschaftsanforderungen bzw. strategischen Prioritäten des Unternehmens anpassen.
Dazu machen Sie zuerst eine Bestandsaufnahme: einerseits der verfügbaren Ressourcen (Angebot) und andererseits aller aktiven Projekte einschließlich der aktualisierten Ressourcenanforderungen (Nachfrage). Wenn Sie sich einen Überblick über die aktuelle Projektsituation verschafft haben, können Sie Nachfrage und Angebot für den aktuellen Zeitraum sowie mittel- und langfristig gegenüberstellen, um eventuelle Engpässe zu identifizieren.
Anschließend brechen Sie sämtliche Projekte ab, die vor dem Hintergrund der sich ändernden Strategie nur einen geringen Mehrwert bringen und priorisieren die restlichen Projekte neu. Die Ressourcen werden dann entsprechend der Projektrangfolge zugeteilt.
10 praktische Tipps für die Rationalisierung Ihres Portfolios
1. Führen Sie die Portfoliorationalisierung auf derselben Ebene durch wie die Zuteilung der Ressourcen: Bei Großkonzernen erfolgt die Verwaltung der Produktportfolios meist auf Ebene der Geschäftsbereiche, daher sollten Entscheidungen bezüglich der Zuteilung von Ressourcen ebenfalls auf dieser Ebene erfolgen.
2. Aktualisieren Sie gleichzeitig Ihre Innovationsstrategie: Höchstwahrscheinlich hat sich die aktuelle Situation bereits auf die Märkte ausgewirkt, auf denen Sie agieren, und es herrscht große Unsicherheit bezüglich der Marktchancen. Daher sollten Sie im Rahmen einer Marktprognose identifizieren, welche wirtschaftlichen Entwicklungen nur temporär sind und welche noch nach der Erholung des Marktes längerfristig Bestand haben werden. Denn so werden Sie Ihre Innovationsstrategien entsprechend anpassen können.
Diese Fragen sollten Sie sich dabei stellen:
- Welche Auswirkungen hat Telearbeit auf unsere wichtigsten strategischen Programme?
- Haben sich neue Marktchancen ergeben? Gibt es neue potenzielle Kunden, neue Dienstleistungen oder haben sich anderweitig neue Chancen ergeben?
- Gibt es Projekte, die wir unmittelbar beschleunigen, zurückstellen oder abbrechen müssen?
- Müssen wir Investitionen in innovative Projekte verschieben?
3. Seien Sie entscheidungsfreudig: Reduzieren Sie die Projektkapazität von vornherein so, dass Sie diese nicht im nächsten Quartal nochmals anpassen müssen. Denn unter ständigen Kürzungen wird die Produktivität Ihrer Belegschaft leiden.
Stellen Sie Projekte wenn möglich nicht zurück. Setzen Sie den Status der Projekte entweder auf genehmigt oder brechen Sie diese direkt ab. Zurückgestellte Projekte wirken sich negativ auf die Effizienz der Mitarbeiter aus, die versuchen, diese unter allen Umständen am Laufen zu halten.
4. Entledigen Sie sich der „Zombie-Projekte“:
Als Zombie-Projekte gelten:
- Lieblingsprojekte (nicht genehmigte und genehmigte)
- Abgebrochene oder zurückgestellte Projekte, die nie vollständig aufgegeben wurden
- Inaktive Projekte, bei denen kein merklicher Projektfortschritt zu erkennen ist
- Inkrementelle Verbesserungsprojekte, die sich aus einer Anforderung eines bestimmten Unternehmensbereichs entwickelt haben, jedoch keinen signifikanten Mehrwert für das gesamte Unternehmen bringen
- Wissenschaftsprojekte, die nicht der Produkt-Roadmap zugeordnet werden können)
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zum Ausmisten (obwohl dies idealerweise natürlich regelmäßig erfolgen sollte).
5. Passen Sie die Projektplanung und Rentabilitätsprognosen an die aktuelle Situation an: Für Kundensegmente, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind (z. B. Produkte, die über Ermessensausgaben finanziert werden, Dienstleistungen und Urlaubsreisen) sollten Sie bei den Rentabilitätsprognosen ein erhöhtes Risiko in Betracht ziehen.
6. Teilen Sie Projekte 3 oder 4 Kategorien zu, anstatt eine Rangfolge zu erstellen: Ob ein Projekt Kategorie A, B oder C zuzuordnen ist, ist viel einfacher und schneller zu entscheiden, als die Frage, welchen Listenplatz es in einer Liste von 100 Projekten einnimmt.
Der Mehrwert liegt hier in der gemeinsamen Priorisierung. Akzeptieren Sie, dass Ihre Entscheidungen nicht 100 % fehlerfrei sein können. Die Projektdaten dienen dabei lediglich als Entscheidungshilfe.
7. Trauern Sie keinen verlorenen Projektkosten nach: Per Definitionem handelt es sich bei verlorenen Projektkosten um Ausgaben, die nicht wieder eingeholt werden können (Sunk Costs) und für die Portfoliorationalisierung keine Rolle spielen. Sie sollten nicht an Projekten festhalten, nur weil Sie bisher viel in diese investiert haben. Wenn Ihnen ein Projekt keinen Mehrwert bringt, brechen Sie es endgültig ab und ziehen Sie daraus wichtige Erkenntnisse für die Zukunft.
8. Verhindern Sie Funktionsengpässe: In den meisten Unternehmen kommt es zu Engpässen, die häufig auf eine Ursache zurückzuführen sind und die gesamte Projektpipeline verlangsamen. Und genau diese Stelle gilt es zu identifizieren. In der Regel handelt es sich dabei um eine Funktion, die eine Person für mehrere Projekte innehat (Stichpunkt Schlüsselressource). Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um einen Mitarbeiter aus den Bereichen Engineering oder F&E handeln, in den meisten Fällen gehört dieser Mitarbeiter dem Bereich Qualität oder Fertigung an.
9. Fahren Sie neue Wachstumsprojekte nicht komplett herunter: Obwohl für die Überwindung der Krise die Priorität auf dem Kerngeschäft liegen sollte, sollten Sie die Zeit nach der Krise dennoch nicht ganz außer Acht lassen. Statt sämtliche neue Wachstumsprojekte abzubrechen, können Sie bestimmte weniger kostspielige Projekte gezielt finanzieren, die für die Zeit nach der Krise vielversprechende Marktchancen bieten.
10. Scheuen Sie sich nicht vor zu viel Kommunikation: Ziehen Sie eine wöchentliche Besprechung in Betracht, in der Sie Änderungen der Innovationsstrategien, Projektprioritäten und die Neuverteilung der Ressourcen erläutern und Fragen beantworten. Machen Sie die Portfolioänderungen transparent und erklären Sie, warum Sie diese vornehmen müssen. Erinnern Sie Ihre Mitarbeiter daran, dass Sie diese Krise gemeinsam meistern müssen, und beziehen Sie die Meinung Ihrer Mitarbeiter in Ihre Entscheidungen mit ein.
Ausblick
Die Corona-Krise hat schon jetzt immense Auswirkungen auf die Wirtschaft: Führungskräfte sind mit noch nie dagewesenen Schwankungen und Unsicherheiten konfrontiert. Wenn die Pandemie erst einmal überstanden ist, müssen Unternehmen zunächst wieder auf die Beine kommen. Wenn Sie Ihr Innovationsportfolio jedoch schon jetzt rationalisieren und neu bewerten, werden Sie die Rezession besser überstehen und sind bestens gewappnet für einen erneuten Wirtschaftsaufschwung. Minister Altmaier und die Wirtschaftsweisen hoffen jedenfalls auf das V-Szenario, bei dem es zumindest in Deutschland genauso schnell aus der Krise herausgeht, wie wir hineingelangt sind*.
*Quellen: https://www2.deloitte.com/de/de/blog/covid-19-briefings/2020/covid-19-briefing-konjunkturszenarien.html