Bei der Entwicklung neuer Produkte hat sich Nachhaltigkeit von einem „Nice-to-have“ zu einer zentralen Anforderung für die Beurteilung des kommerziellen Erfolgs gewandelt.
Bei der Entwicklung neuer Produkte hat sich Nachhaltigkeit von einem „Nice-to-have“ zu einer zentralen Anforderung für die Beurteilung des kommerziellen Erfolgs gewandelt.
In ihrer Marktstudie fanden McKinsey und NielsenIQ heraus, dass Produkte mit nachhaltigem Engagement (Umwelt, Fairness usw.) über einen Zeitraum von fünf Jahren ein kumulatives Umsatzplus von 8 % verzeichnen konnten.
Zudem konnten die international agierenden Unternehmen feststellen, dass sich eine nachhaltige Produktion positiv auf ihre Kostenstrukturen auswirkt. Henkel beispielsweise konnte so einen 20-prozentigen Rückgang bei Abfallprodukten verbuchen – bei den Energiekosten waren es sogar 40 %. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sind somit überhaupt kein Widerspruch.
Zusätzlich zu den ohnehin bereits positiven Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unseren Planeten können sich für Unternehmen kommerzielle Möglichkeiten eröffnen, wenn sie sich nachhaltigen Werten verpflichten.
Dennoch stehen diesem Nachhaltigkeitstrend manche Unternehmen skeptisch gegenüber und das nicht ohne Grund – nie war der weltweite Wettbewerb um das beste Produkt härter als heute. Entwicklungsteams müssen ihre Produkte unter enormem Druck möglichst schnell und kostengünstig auf den Markt bringen, und das bei äußert volatilen Verhältnissen. Nachhaltigkeit scheint hier nicht unbedingt das Mittel der Wahl, um mit derartigen Erfolgsanforderungen umzugehen.
Wie ist es also möglich, eine Balance zwischen Nachhaltigkeit, Kosten und Produktivität zu schaffen?
Dieser Frage wird im weiteren Verlauf dieses Artikels im Rahmen der nachhaltigen Produktentwicklung nachgegangen.
Was ist Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung?
Die nachhaltige Produktentwicklung ist ein neuer Ansatz, bei dem Kriterien der Nachhaltigkeit bei jedem Schritt des Produktentwicklungsprozesses berücksichtigt werden. Dieser Ansatz lässt sich in jeden Projektmanagement-Workflow integrieren. Insbesondere eignen sich Stage-Gate- bzw. Phasen-Meilenstein-Projekte. Denn bei Stage-Gate-Prozessen wir am Ende jeder Phase genau geprüft, ob die jeweiligen Kriterien erfüllt wurden.
Nachhaltige Produktenwicklung hat zwei Hauptziele:
Ziel 1: Lieferketten absichern
Lieferketten werden immer mehr unter anderem durch den Klimawandel beeinträchtigt. Wetterextreme können die Logistik weltweit unerwartet zum Stillstand bringen. Davon sind insbesondere Nahrungsmittelproduzenten betroffen.
Mithilfe einer nachhaltigen Produktentwicklung sollen Lieferketten resilienter gegenüber solchen Ereignissen gemacht werden. Dabei werden Strategien wie Optionaltät und Hotspot-Analysen verwendet.
Ziel 2: Mehrwert für Kunden generieren
Aufgrund der immer größer werdenden Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten in Kundenanforderungen und bei Marktregulierungen sehen sich Produzenten und Zulieferer zunehmend gezwungen, nachhaltige Optionen anzubieten. Außerdem fühlen sich viele von uns auch selbst in der Verantwortung, weshalb wir in unserem täglichen Leben immer mehr nachhaltige Entscheidungen treffen.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird versucht, bereits bei der Produktentwicklung Nachhaltigkeit umfassend zu integrieren. Dies hat einen positiven Einfluss auf unser persönliches Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Umwelt und steigert den Wertbeitrag unserer Geschäftstätigkeiten.
Implementierung von Nachhaltigkeit im Produktentstehungsprozess
Die Implementierung einer nachhaltigen Produktentwicklung bedeutet nicht, dass Sie Ihre Prozesse komplett neu gestalten müssen. Sie können schlicht jedem Meilenstein in einem Stage-Gate-Prozess ein nachhaltiges Kriterium hinzufügen. Nachfolgend werden Beispiele dafür gegeben, wie Nachhaltigkeit in den Entwicklungsprozess implementiert werden kann:
Richtwerte festlegen
In Anlehnung an die Ziele der UN für nachhaltige Entwicklung haben viele Großunternehmen eigene Nachhaltigkeitsziele definiert. An diesen Zielen können sich Entwicklerteams bei der Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien für neue Produkte orientieren. Diese Richtwerte können sich etwa auf CO2-Emissionen, Energieeffizienz und Rohstoffverbrauch beziehen. Die Nachhaltigkeitskriterien und die einzuhaltenden Richtwerte müssen zu den Unternehmenszielen passen und sind abhängig von der Art der Produktlinien.
Dabei sollten aber auch Richtwerte für Kundenanforderungen gesetzt werden. Wenn sich Produkte nicht an Markttrends orientieren bedeutet das in vielen Fällen eine hohe Abfallproduktion. Im besten Fall geht es um Verluste durch Energie und Material, die im Rahmen eines abgebrochenen Projekts entstanden sind. Im schlimmsten Fall geht es um Verluste ganzer Lagerbestände, die auf schwache Verkaufszahlen und schlechte Prognosen zurückzuführen sind.
In der Ideation-Phase am Anfang des Produktentwicklungsprozesses können solche Richtwerte bereits in das Design sowie in die Konzeption der Verpackung und die Haltbarkeit der zukünftigen Produkte einfließen. Ein Beispiel aus der Lebensmittelindustrie ist die Verwendung natürlicher antimikrobieller Konservierungsstoffe zur Verlängerung der Haltbarkeit.
Die richtigen Zulieferer auswählen
Die Auswahl der richtigen Zulieferer hat einen entscheidenden Einfluss auf die Nachhaltigkeitsgestaltung eines Produktes. Laut McKinsey entstehen 90 % der Treibhausgas-Emissionen eines Produkts außerhalb der unternehmensinternen Prozesse. Davon entstehen wiederum die meisten am Anfang der Lieferkette etwa bei Zulieferern von Rohstoffen und Bauteilen.
COVID-19 hat uns erst kürzlich gezeigt, wie schnell sich Lieferketten auflösen können. Gerade die Automobilindustrie hat dies aufgrund ihrer Abhängigkeit von China stark zu spüren bekommen, als Komponenten- und Mikrochip-Zulieferer monatelang schließen mussten. 51,7 % der Logistikverantwortlichen der Automobilindustrie beklagten starke Probleme bei ihren Zuliefer-Netzwerken.
Um diese Probleme zu lösen, könnten spezifische Nachhaltigkeitskriterien für Produktentwicklung bereits bei der Auswahl von Lieferanten (Scoping) und bei der Ausgestaltung des Business Case eingeführt werden. Dabei könnte man sich an Nachhaltigkeitsstandards wie dem GHG Protocol orientieren.
Schwellenwerte wie für die Häufung von Lieferanten in einer bestimmten Region oder die Anzahl der Lieferanten, die demselben Eigentümer gehören, können in diesem Kontext berücksichtigt werden. So lässt sich die Gefahr einer Unterbrechung oder gar eines Stopps der Produktion signifikant reduzieren.
Wie man Nachhaltigkeit in den Produktentstehungsprozess bringt
Nachhaltigkeitsrichtwerte in den frühen Phasen der Produktentwicklung zu berücksichtigen ist das eine. Es muss allerdings auch überprüft werden, ob diese Richtwerte in der Lage sind, die Erwartungen der Verbraucher zu erfüllen.
In der Test- und Validierungsphase können Sie Fragen zur Nachhaltigkeit in Zielgruppen oder Umfragen über das neue Produkt einbauen. Auf diese Weise lässt sich analysieren, ob der gewählte Nachhaltigkeitsansatz die wichtigen Themen aus Kundensicht anspricht.
Vor der Markteinführung kann man Teilnehmer einer Zielgruppen beispielsweise bitten, die Elemente zu identifizieren, die dem zukünftigen Produkt Nachhaltigkeit verleihen und aufzufordern, nach zusätzlichen Nachhaltigkeitsaspekten zu suchen.
Auch nach der Markteinführung sollte die Nachhaltigkeit eines Produkts dauerhaft betrachtet werden. Kundenanforderungen werden sich nämlich immer wieder ändern. Absolut sichere Lieferketten gibt es vor dem Hintergrund geopolitischer Verwerfungen nicht. Angesichts dieser Veränderungen sollte ein Produkt auch nach seiner Markteinführung stets mit den angestrebten Nachhaltigkeitskriterien abgeglichen werden. Nur so kann strategischer Mehrwert für die Nachhaltigkeitsziele eines Unternehmens erreicht werden.
Wenn die Leistung des Produkts in Bezug auf die gesteckten Nachhaltigkeitsziele nachlässt, sollte es neu bewertet, verbessert oder sogar zugunsten anderer Innovationen vom Markt genommen werden.
Wie ein PPM-Tool nachhaltige Produktentwicklung fördert
Eine nachhaltige Produktentwicklung ist ein wertvoller Beitrag für Organisationen, die ihre unternehmensweite Nachhaltigkeitsziele beschleunigen möchten. Außerdem trägt sie dazu bei, künftige Umsätze bei sich ändernden ökologischen und sozioökonomischen Bedingungen zu sichern.
Doch damit dies auch tatsächlich funktioniert bedarfs es belastbarer Daten, einer reibungslosen Zusammenarbeit und den Miteinbezug der Stakeholder.
Nachfolgend wird erläutert, wie ein PPM-Tool die Implementierung einer nachhaltigen Produktentwicklung unterstützen kann:
Verbessertes Datenmanagement und Reporting
Um fundierte Entscheidungen bzgl. Produktdesign und Zuliefererwahl zu treffen, benötigen Sie umfangreiche und belastbare Daten. Der Prozesse der Sammlung und Analyse dieser Daten ist mühsam. Unterstützen kann hier ein leistungsstarkes PPM-Tool. Es dient als Single-Source-of-Truth und Reporting-Tool zum Informationsaustausch mit Stakeholdern.
Mehr Effizienz in der teamübergreifenden Zusammenarbeit
Zur Umsetzung einer nachhaltigen Produktentwicklung bedarf es des Wissens aus vielen Teams. Produktentwicklung, Projektmanagement und Lieferkettenmanagement können alle zu Nachhaltigkeitsüberlegungen beitragen. PPM-Tools bieten Funktionen und Schnittstellen, die die Zusammenarbeit erleichtern. Dazu gehören die Zuweisung von Verantwortlichkeiten, die gemeinsame Nutzung von Daten und der Zugriff auf aktuelle Produktinformationen.
Verbesserter Einbezug von Stakeholdern
Das Management erkennt die Bedeutung der Nachhaltigkeit für die Sicherung der Zukunft ihrer Organisation. Es ist jedoch einfacher, Stakeholder über die Auswirkungen einer nachhaltigen Produktentwicklung zu informieren (und sie zu mehr Nachhaltigkeit zu inspirieren), wenn man einen klaren Überblick über das große Ganze hat.
PPM-Tools bieten eine strategische Top-Down-Ansicht des gesamten Portfolios, sodass schnell klar wird, an welchen Stellen eine nachhaltige Produktentwicklung Mehrwert schaffen kann.